Stellungnahme:Stellungnahme des Kreiskatholikenrats Rhein-Sieg zum Urteil des Bundesverfassungsgerichts § 217 Abs. 1 StGB zur Verfassungswidrigkeit des Verbots der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung (BVerfG, Urteil des Zweiten Senats vom 26. Februar 2020 - 2 BvR 2347/15 -, Rn. (1-343))
Das Urteil des BVerfGs zeigt uns, dass das christliche Menschenbild für weite Teile der säkularen Gesellschaft bis hin zu den Verfassungsrichtern im Gegensatz zu den Müttern und Vätern des Grundgesetzes nicht mehr die Grundlage der Gesetzgebung ist. Die Werte menschlicher Freiheit und des (staatlichen) Schutzes der Menschenwürde sind mit diesem Urteil nicht in Einklang gebracht. Die Bundesverfassungsrichter stellen sich nicht dieser Spannung, sondern delegieren den staatlichen Schutz der Menschenwürde an den Gesetzgeber.
Das BVerfG scheint einem existentialistischen Menschenbild zu huldigen, das das Persönlichkeitsrecht des Einzelnen über alles stellt und deshalb nicht nur auf dem Recht auf Selbsttötung, sondern auch auf dem Recht auf vereinsmäßig organisierte Beihilfe zur Beendigung des Lebens besteht. Der Einwand I. Kants, dass der Suizident sich seiner Würde und Freiheit begibt, weil er mit seinem Leben zugleich die Voraussetzung seiner Selbstbestimmung aufgibt, wird kommentarlos übergangen. Wenn es schon unrichtig ist, aus dem GG das Recht auf freie Bestimmung des Lebensendes abzuleiten, so fragen wir uns erst recht, aus welchem Grundsatz man denn das Recht auf Hilfe zur Selbsttötung ableiten will.
Wir haben große Sorge, dass die Sterbehilfe zum Feld von geschäftsmäßigem Profit, von Erlösungsfantasien und von fremdbestimmenden Kalkülen aus der Umwelt der Patienten, bspw. „nicht Dritten zur Last fallen zu wollen“, oder aus Gründen steigenden Kostendrucks im Gesundheits- und Pflegebereich forciert wird.
Wir fordern die Bundestagsabgeordneten in unserem Kreisdekanat auf, geeignte Maßnahmen zu ergreifen, die jeden Missbrauch ausschließen und ein würdiges Sterben ermöglichen.
Dazu gehören sowohl das Verbot von Werbung für Sterbehilfevereine als auch unbedingt die Stärkung und der Ausbau palliativmedizinscher Versorgung. Ärztlich begleitete bzw. ermöglichte Sterbehilfe in Ausnahmefällen kann immer nur die „ultima ratio“ sein, der intensive Gespräche mit dem betroffenen Menschen oder / und den Angehörigen sowie medizinisch-ethische Gutachten vorangehen müssen. Hieran müssen strenge Auflagen geknüpft sein. Der Schutz des menschlichen Lebens und seiner unantastbaren Würde hat dabei Vorrang.
Der christliche Glaube verpflichtet uns zur Sorge für den Menschen im Sterben, die ihm mit dem vollen Respekt vor seiner Selbstbestimmung Sicherheit und Geborgenheit schenkt. Das gemeinsame Tragen der Lasten und die Zusicherung der
Unantastbarkeit des Lebens stehen für uns an erster Stelle.